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Original text in Russian

Text in French

Text in English


VERKÜNDIGUNG
Kammeroper in sechs Episoden
von  Alexander Shchetynsky
(1998)

Libretto von Alexey Parin (in Russisch)

PERSONEN

Maria, Sopran ohne Akkompagnement, Schlagzeug
Engel des Herrn, Klavier, Celesta, Schlagzeug

Ort der Handlung - Marias Zimmer
Der ganze Text ist ein Monolog Marias. Am Anfang Maria am Spinnrad


LIBRETTO IN DEUTSCHE ÜBERSETZUNG

I. VORAHNUNG

Es zieht sich der Faden, der Faden zieht sich,
zart wie im Spinnengewebe,
flockt plötzlich im wolligen warmen Flaum,
und hinter mir spür ich den Atem der Schafe.
Seit Tagen schon ist meine Ruhe dahin.
Als ob mir der Frühling den Leib durchflutet.
Ich höre, wie draußen die Taube gurrt -
und zittre wie Espenlaub.
Ich sehe, wie der Ochse die Sonne genießt -
und bin ganz erfüllt von Glück.
Doch wenn ich des Esels Freudenschrei höre,
dann werd ich ganz irre und möchte fliegen.
Ich fühle im Herzen, wie jeder Ton
mir ein Geheimnis enthüllt,
meines Lebens Geheimnis.

Es zieht sich der Faden, der Faden zieht sich,
zart wie im Spinnengewebe,
flockt plötzlich wie Herzschlag im warmen Flaum
des hilflos flatternden Täubchens,
im wollig weichen Vliese des Lammes.

II. EIN HAUCH

Jemand ist gekommen.
Doch der Vorhang rührt sich nicht.
Das Fenster ist zu.
Die Tür fest verschlossen.

Welch eine Stille!
Selbst der Sonnenstrahl ist erstarrt,
um die Stille nicht zu stören.
Ich weiß, es ist jemand gekommen.
Es dröhnt in meinen Ohren,
wie von Donnerschlägen.

Kein Wehen des Windes,
sondern ein Wehen der Seele.
Wer bist Du, der in der Seele weht?
Wer bist Du, der mir das Herz berührt?

III. FROHE BOTSCHAFT

Ja, ich verstehe Dich, Du Unsichtbarer.
Doch sag mir ein Wort.
Du großer Erzengel. Ich kenne Dich.
Dein Antlitz erschien mir in der himmlischen Wolke.
Deine Stimme ertönte im Rauschen des Windes.
Für Deine Botschaft bin ich bereit.

Nein, ich glaube nicht.
Ich bin nicht würdig.
Womit hab ich Liebe verdient?

Ich soll ein Kind zur Welt bringen?
Ich soll meinen Sohn in die Klauen des Todes geben?
Gram wird meine Seele erfüllen.
Erbarme Dich meiner, erbarme Dich!

IV. EKSTASE

Welch ein Glanz in meinem Herzen!
Welche Wonne erfüllt meinen Leib!
Woher nehm ich die Kraft,
solche Seligkeit zu ertragen?
Ah-ah-ah!

V. ANGST UND SCHRECKEN

Gebenedeit sei die Frucht meines Leibes, sagst Du?
Und ich gebenedeit unter den Weibern?
Voll der Gnaden nennest Du mich?
Blind bin ich vom Glanz im Herzen.
Doch die Augen der Seele öffneten sich.
Ich sehe durch die Zeiten den gekreuzigten Sohn.
Ich spüre durch die Zeiten, wie der Stein vom Grabe
donnernd weggewälzt wird.
Ich sehe den auferstandenen Sohn.
Ich sehe, wie meinen gebrechlichen Körper
er lebendig in den Himmel aufnimmt.

Gib mir Kraft zum Glauben,
daß diese Vision nicht vom Teufel stammt.
Ich habe Angst, Angst, Angst.
Wie soll ich glauben,
daß ich, so ganz ohne Schönheit,
ganz ohne Stolz im Geist,
so ganz ohne Kraft im Körper,
die Mutter werden soll des Erlösers?
Wie willst Du beweisen,
daß der Teufel nicht über mich lacht?
Doch stärke Du meinen Glauben,
gib Du mir Kraft, die Angst zu besiegen.

VI. ABSCHIED

Du gehst? Du läßt mich allein?
Ich werde die Last nun selber tragen.
Und sogar Joseph wird an mir zweifeln.
Nur der Stern am Himmel,
der reifen wird, wie meine Frucht,
bezeugt meine Reinheit.

Das Leben brach entzwei,
bei mir und bei allen Menschen.
Zum Abschied von Dir
weine ich bitter,
lache ich glücklich.
Ah-ah-ah!

Deutsche Übersetzung von Maria Deppermann


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© 1999 text by Alexey Parin

© 1999 Deutsche Übersetzung von Maria Deppermann

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